Hör-Bar

Nils Petter Molvær – Baboon moon

Wer bläst so schwer durch Raum und Zeit? Der Molvær ist’s, mit neuem Geleit! Und abermals mit einem von Grund auf renovierten Fusion-Ansatz. Seine Trompete und der Rock sollen es diesmal richten, genauer gesagt spaciger Prog-Rock. Um der Idee eine gewisse Legitimität abseits des Jazz zu verleihen, hat sich der Norweger den Madrugada-Drummer Erland Dahlen sowie Stian Westerhus, einen Gitarristen mit Bachelor der Middlesex University, ins Studio geladen. Wer ein wenig mit der musikalischen Geschichte von Nils Petter Molvær vertraut ist, der ahnt, dass auch “Baboon moon” keine leichte Kost sein dürfte. Und es stimmt: Das drölfzehnte Album – wer mag bei diesem Backkatalog noch wirklich zählen wollen? – ist ein ziemlich zäher Brocken. Aber oft überwältigenden Materials!

Die zentralen Stücke auf “Baboon moon” sind jene drei, die weit ausholen und mit voller Wucht geradewegs ins Gesicht schlagen. Bei “Recoil” und “Sleep with echoes” semmelt die Percussion alles nieder, während die Gitarren um sich schratzen und sägen. Molvær versucht mit seiner Trompete ein Gegengewicht zu dieser übermächtigen Wall of Sound zu erzeugen, was ihm im kolossalen “Recoil” nicht gelingt. Stattdessen fügt er sich diesem gewaltigen Monster. Es gibt ja doch kein Entrinnen. “Sleep with echoes” hingegen hat Molværs Gebläse besser im Griff. Auch hier lässt er Dahlen und Westerhus mal schön groß auffahren, hält sich selbst aber im Hintergrund. Die Trompete ist hier trotzdem immer Herr der Lage und hält den auseinanderfransenden Laden zusammen, auch wenn sie nur ganz subtil irgendwo in der Ferne des Alls zu hören ist. Der über sieben Minuten lange Titeltrack, der “Baboon moon” abschließt, baut sicht ganz gemächlich nach und nach auf, die Drums werden lauter, die Synthesizer-Sounds begehren auf, die Gitarren schneiden sich durch das Wirrwarr und plötzlich ist Stille. Nur noch Molværs Trompete bläst in vollkommener Isolation vor sich hin. Erstmal Luft holen.

Die übrigen Stücke auf diesem atmosphärisch ungemein dichten und gewaltigen Batzen bilden die Ruhepole des Albums und weben sich um dieses Triumvirat, ohne dabei die Anspannung, die “Baboon moon” erzeugt, zu lösen. So bleibt diese Platte zwischen singender Säge, diversen Soundrekorden und Harmonium, zwischen Loops, Drums, Gitarren, Trompete und sonstigem seltsamen Zeugs – ist das bei “Blue Fandango” etwa ein Theremin? – immer fesselnd und faszinierend. Mit Dahlen und Westerhus hat Molvær zwei Glücksgriffe getätigt, die dem Spiel des Norwegers ganz neue Seiten abverlangen und seiner musikalischen Evolution nur gut getan haben. Und aus Jazz wurde Rock.

Quelle: Kai Wehmeier auf Plattentest.de

 Trackliste

  1. Mercury Heart
  2. A Small Realm
  3. Recoil
  4. Bloodline
  5. Sleep With Echoes
  6. Blue Fandango
  7. Prince Of Calm
  8. Coded
  9. Baboon Moon

meine Meinung

Molværs Experimente faszinieren! Unverkennbar ist das Lager aus dem dieser begnadete Trompeter kommt und beeindruckend wie er sich über Konventionen hinwegsetzt und so ganz neue Hörerlebnisse erschafft. Am besten hört man diese CD am Abend, abgelenkt höchstens durch einen angemessenen Rotwein…

2 Kommentare Neuen Kommentar hinzufügen

Schreibe einen Kommentar zu Thomas Klawitter Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert